Gesicherter Fußgängerüberweg in Marl
Foto: Bernd Herzog-Schlagk, FUSS e.V.

Es ist eine Grundvoraussetzung für die Vorbereitung und Durchführung eines Fußverkehrs-Checks, dass man sich über die eigenen Erwartungen und über mögliche Schwerpunktsetzungen Gedanken macht. Was wollen Sie also mit einem Fußverkehrs-Check erreichen, wo finden Sie dafür Hilfestellungen und welche Formate bieten sich dafür an? Dafür möchten wir Ihnen anhand von folgenden Fragestellungen ein paar Anregungen unterbreiten:

Zum Schluss folgen zahlreiche

Welches sind die zentralen Ziele aller Fußverkehrs-Checks?

Durch Fußverkehrs-Checks mit Gruppen-Begehungen sollen die Beteiligten

  1. den öffentlichen Raum wahrnehmen,
  2. sich den Herausforderungen gegenüber sensibilisieren und
  3. konstruktiv an Verbesserungen für die Nahmobilität mitwirken!

Damit sind drei ganz wesentliche Zielvorstellungen benannt, die allen Formaten von Fußverkehrs-Checks innewohnen.

Der zentrale Begriff für alle Arten von Mängel-Analysen ist die Wahrnehmung. Er lässt sich folgendermaßen beschreiben:

 

Regelkreis Wahrnehmung-Achtsamkeit-Konzentration-Aufmerksamkeit
Grafik: Bernd Herzog-Schlagk, FUSS e.V.

Die Wahrnehmung ist „ein komplexer Prozess der Informationsgewinnung durch die Verarbeitung von Reizen. Die Reizverarbeitung erfolgt nach subjektiven Kriterien, [d.h. jeder Mensch] nimmt (aufgrund individueller Erfahrungen und vorheriger Lernprozesse) individuell wahr.“(1) Es geht darum, die von den Sinnesorganen (Sehen, Hören, Riechen, Fühlen, Schmecken) eintreffenden Informationen auszuwählen, zu ordnen und zu interpretieren. (2) „Ein wichtiger Parameter der Wahrnehmung ist die Aufmerksamkeit.“ (1) „Das, was wir lernen und woran wir uns erinnern, ist zum Großteil eine Funktion der Aufmerksamkeit.“ (3) Ein besonderer Zweig der Aufmerksamkeit ist die gegenüber anderen Menschen, sie wird mitunter als Achtsamkeit bezeichnet.(4)

Aufmerksamkeit und Achtsamkeit sind die Grundvoraussetzungen für die Wahrnehmung von Zuständen im öffentlichen Raum, des eigenen Gefühls und möglicherweise auch des Hineindenkens in die Situation der anderen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. Dabei ist die Intensität und die Dauer der Konzentration der Beteiligten ein wichtiger Indikator für die zielgerichteten Diskussionen und Erkenntnisse. Deshalb wird in den Beschreibungen auch ein besonderer Wert darauf gelegt, ob und wie die Teilnehmenden in das Verfahren eingebunden und auch gefordert werden.

Ein wichtiger Aspekt ist es, das Problembewusstsein durch die Ansprache von Problemen zu schärfen. Gerade ein Fußverkehrs-Check, der von einer Gruppe durchgeführt wird, ist bei der gemeinsamen Begehung eines Wegeabschnittes fast immer mit einem Erkenntnisgewinn verbunden. So werden auch bekannte Wege aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, da alle Beteiligten einen anderen Erfahrungshintergrund haben. Somit wäre hier allein schon die Kommunikation vor Ort ein bedeutender Punkt.

Es wird mitunter Kritik daran geübt, dass Fußverkehrs-Checks letztlich eine Ansammlung von negativen Situationen erbringen und zu wenig positive Ansätze enthalten. Doch wenn man das „Problembewusstsein“ für den Fußverkehr fördern möchte, kommt man nicht umhin, „Probleme“ - oder wie man heute häufiger sagt: „Herausforderungen“ – auch anzusprechen. Dafür muss allerdings der „Blick geschärft“ werden, diese auch wahrnehmen zu können. Darüber hinaus, und das sollte stets auch ein Ansatz von Fußverkehrs-Checks sein, sollten ebenfalls die Stärken erkannt und benannt werden und möglicherweise als Anreiz auch positive Beispiele aus anderen Kommunen.

Ein Fußverkehrs-Check ist eine erprobte und durchaus auch eine erfolgversprechende Methode, wenn es darum geht,

a) Mängel in der Infrastruktur und auch positive Beispiele (Schwächen und Stärken) aus Fußgängersicht zu analysieren und

b) sich erste Gedanken darüber zu machen, wie die Mängel behoben werden

könnten und wie der öffentliche Raum sicherer, komfortabler und damit attraktiver gemacht werden könnte.

Auch wenn andere der gesetzten Ziele nicht in der erwünschten Form erreicht werden, werden Beteiligte äußern, dass sie die Situationen bisher so noch nicht gesehen haben. Allein dies spricht für die Praxisnähe und ist ein Erfolgsindikator.

Möchten Sie mithilfe von Fußverkehrs-Checks eine strategische Vorgehensweise entwickeln?

Sie wollen als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter in der Stadtverwaltung die übergreifende Planungsgrundlage zum Thema Mobilität (5) für Ihre Stadt aktualisieren und dabei den Fußverkehr gemäß seiner immensen Vorteilen für eine belebte, gesunde und umweltfreundliche Stadt in eine höhere Priorität setzen. Oder Sie wollen im Rahmen eines Nahmobilitätsplans eine eigenständige „Fußverkehrsstrategie“(6) entwickeln, weil Sie davon überzeugt sind, dass die Herausforderungen der Stadt letztlich nur über eine Stärkung der drei Säulen des Umweltverbundes in den Griff zu bekommen sind.

Dann ist es sinnvoll, beim Fußverkehrs-Check nicht zu sehr ins Detail zu gehen, weil es Ihnen ja darauf ankommt, Kernbereiche für zukünftige Maßnahmen-Pakete zu ermitteln. Sie kennen Ihre Stadt, wissen im Grunde genommen, wo man die Stärken verstärken und die Schwächen vermindern muss. Und dennoch fehlt Ihnen oder Ihrer Verwaltung noch die Idee, wo sinnvollerweise anzusetzen ist, damit die Bürgerinnen und Bürger die Verbesserungen dann auch wahrnehmen.

In diesem Fall werden Sie mit einem einzigen Fußverkehrs-Check nicht auskommen, sondern ihn konzeptionell mit Workshops, Fachgesprächen, öffentlichen Veranstaltungen oder Befragungen verknüpfen. Dazu bieten sich bereits erprobte und bewährte Verfahren an (7), die Sie nach Ihren Vorstellungen verändern können. Oder Sie stellen sich ein eigenes Konzept zusammen. Wie Sie es auch immer handhaben, bleiben Sie offen für Anregungen von Bürgerinnen und Bürgern, Vertreterinnen und Vertretern aus Bürgerinitiativen, Stadtteilgruppen, Verbänden, Institutionen und Parteien! Achten Sie aber auch darauf, inwieweit diese stets nur ihre speziellen Interessen einbringen wollen. Verkehrssicherheit und Barrierefreiheit sind ein hohes Gut, aber sie dürfen nicht zum alleinigen Maßstab für eine lebenswerte Stadt werden. Auch die Förderung des Radverkehrs ist überaus wichtig, doch darf sie nicht zu Lasten des Fußverkehrs umgesetzt werden. Solche Konfliktlinien sind insbesondere bei einer übergreifenden Betrachtung nicht zu vernachlässigen.

Sie werden als Verwaltung häufig von Missständen erfahren, die Sie selbst bereits wahrgenommen haben und gerne vermindern möchten. Aber Sie werden auch auf neue Aspekte stoßen. Nur als ein Beispiel: Sie haben Ihre Stadt eventuell noch niemals als Gast / Tourist wahrgenommen und diese Sichtweise verwundert erst einmal. Wieso muss es ein Fußgänger-Leitsystem geben, wo man doch weiß, was wo ist? Ein Fußgänger-Leitsystem macht Ihre Stadt für die „Außenwelt“ interessanter, hilft Ortsfremden sich zurechtzufinden, belebt die Straßen, die Wirtschaft, usw.

 

Verdeckter Fußgängerüberweg in Marl
Foto: Bernd Herzog-Schlagk, FUSS e.V.

Letztlich wird es häufig darum gehen, dass der Stadt ein praxisnahes Fußwegenetz für den Alltags- und Freizeitverkehr fehlt (8) und damit verbunden auch ein entsprechendes Leitsystem. Aber es können auch die alternden oder durch Baumwurzeln aufgebrochenen Gehweg-Beläge sein, die letztlich in Priorität rutschen. Die Querungsanlagen sind natürlich ein großes Themenfeld und die Erreichbarkeit der Haltestellen des öffentlichen Verkehrs, etc.(9) Dies kann nur durch die vorgeschlagene Kombination von Gesprächen und Fußverkehrs-Checks ermittelt werden. Die Routen für die Fußverkehrs-Checks sollten dann so ausgewählt werden, dass möglichst ein Querschnitt der Herausforderungen erkennbar ist und dass sich daraus systematische Ansätze zur Förderung des Fußverkehrs zu entwickeln lassen.

Soll der Fußverkehrs-Check auf ein bestimmtes Gebiet begrenzt sein?

Sie möchten die Fußläufigkeit in einem Stadtteil verbessern und damit die Lebendigkeit des Viertels aufwerten. Sie arbeiten in der Verwaltung, in einem Sanierungs- oder Kiezladen, sind Bewohnerin oder Bewohner, bzw. vertreten einen Verband, der die Interessen einer Zielgruppe im Auge hat, die Fußverkehrsflächen nutzt.(10) Dann empfehlen wir Ihnen eines der Formate der Fußverkehrs-Checks, die erst einmal - ohne zu sehr ins Detail zu gehen – das Gebiet „durchgrasen“.(11) Es werden dann möglicherweise durch einen Fußverkehrs-Check Mängel mehrmals auftauchen und gute Beispiele, die auf andere Orte übertragbar sind. Lassen Sie sich aber nicht von weitgehend menschenleeren Straßenabschnitten dazu verleiten, dass hier keine Fußverkehrs-Strukturverbesserungen notwendig sind. Gerade an solchen Stellen muss die Frage gestellt werden, warum dieser Wegeabschnitt oder dieser Platz nicht genutzt wird.

Wollen Sie für einen Straßenzug, einen Platz oder eine Querungsanlage eine Analyse von Schwächen und Stärken erarbeiten?

Sie arbeiten in der Verwaltung, in einem Sanierungs- oder Kiezladen, sind Bewohnerin oder Bewohner, bzw. vertreten einen Verband, der die Interessen einer Zielgruppe im Auge hat, die Fußverkehrsflächen nutzt.(10) Es geht Ihnen um die Verbesserung der Begehbarkeit des Straßenzuges, um sichere und möglichst angenehme Überquerungen der Fahrspuren, um die Erreichbarkeit der Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs oder um die Belebung eines Platzes. Sie wünschen sich möglichst situationsgerechte Maßnahmenvorschläge. Was steht diesen Zielen entgegen? Für diese Analyse eignen sich fast alle Formate von Fußverkehrs-Checks, weil das bisher immer ganz typische Anliegen waren. Hilfestellung bieten Ihnen Check-Listen, die Informationen unter www.geh-recht.de (12) und die geltenden Regelwerke.(13)

 

Verdeutlichter Fußgängerüberweg in Marl
Foto: Bernd Herzog-Schlagk, FUSS e.V.

Haben Sie bereits thematische Schwerpunkte ins Auge gefasst?

a) Mobilität zu Fuß

Es ist keineswegs verwerflich, für einen Fußverkehrs-Check den Schwerpunkt ganz allgemein darauf zu legen, auch einmal ein wenig einseitig das Augenmerk nur auf die Bedingungen und Empfindungen aus Fußgängersicht zu legen. Was nehmen Sie wahr, was fühlen Sie als Fußgängerin oder Fußgänger? Sie lassen bei einer Gruppen-Begehung den Teilnehmenden freien Lauf, geben lediglich die Route an, um miteinander vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, über die man dann auch diskutieren kann.(14) Je nach Zusammensetzung der Gruppe werden Sie hier sehr unterschiedliche Themen-Ebenen ansprechen. Es kann darum gehen, dass die 3 cm Bordsteinkante bei der Absenkung nicht eingehalten wurden und deshalb entweder Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit (keine Kante vorhanden) oder Menschen mit einem Rollator (Kante zu hoch) darin ein Problem sehen. Es kann aber auch sein, dass sich Teilnehmende daran stören, dass der Weg keine Reize bietet, kein Grün, geschlossene Schaufenster, etc. oder man die Gehwegbreite am Rand der Hochhäuser bedrückend empfindet. Es ist evtl. hilfreich, sich vorher die Check-Listen anzusehen.

b) Verkehrssicherheit

Häufig wird die Verminderung der Verkehrsunfälle mit Personenschäden in den Mittelpunkt gestellt. Das ist sicher ein richtiger Ansatz, der allerdings für sich allein auch problematisch sein kann. Da können lange Umwege, Fußgängersperrgitter, lange Wartezeiten an Ampeln, etc. als positiv bewertet werden, weil sie letztlich die Verkehrssicherheit erhöhen können. Der sicherste Fußgänger ist letztlich derjenige, der das Grundstück gar nicht mehr verlässt. Insofern ist anzuraten, die Verkehrssicherheit stets mit der Annehmlichkeit und dem Komfort zu kombinieren. Dies ermöglicht zumindest eine Abwägung. Zur Beurteilung von Verkehrssicherheits-Mängeln bieten sich die Check-Listen und fast alle Aspekte auf der Website Geh-recht.de an.(15) Auch bei dem anzuwendenden Format haben Sie weitgehend Entscheidungsfreiheit.(16)

c) Soziale Sicherheit

Von Verkehrsplanern mitunter vernachlässig ist die soziale Sicherheit: Sie ist aber bei den Bürgerinnen und Bürgern immer ein Problem, wird allerdings von Männern weniger und geschlechterübergreifend häufig erst mit zunehmendem Alter stärker wahrgenommen. Hier ist eine Verdeutlichung der punktuellen Herausforderungen möglich, indem der Fußverkehrs-Check in der Dämmerung oder bei Dunkelheit durchgeführt wird. Dabei geht es nicht nur um die fehlende Beleuchtung der Fußverkehrsflächen bei starker Ausleuchtung der Fahrspuren, so wie sie historisch entstanden und leider noch heute in unseren Städten vorzufinden ist. Analysiert werden müssen auch bauliche Ecken und Hecken sowie Verschattungen der künstlichen Beleuchtung, die für Angsträume sorgen. Wichtig ist eine möglichst „lebendige Umgebung“ und sich „zeitlich und funktional überschneidende Nutzungen.“(17) Leider sind diese Aspekte in den Check-Listen bisher nur sehr mangelhaft berücksichtigt.

d) Barrierefreiheit

Eine flächenhafte Barrrierefreiheit (18) ist ein überaus hoher Anspruch, aber die Erreichung dieser Zielvorgabe würde letztlich allen Fußgänger-Gruppen helfen. Es kann also das Hauptziel eines Fußverkehrs-Checks sein, Verständnis für die Belange von Menschen mit Geh-, Seh- oder Höreinschränkungen, geringer Körpergröße, etc. zu wecken. Bei einem solchen Fußverkehrs-Check kann durchaus die Bordsteinabsenkung problematisiert werden, aber noch wichtiger ist es, Wegeketten zu ermöglichen. In der Praxis bedeutet das: Wenn auf der einen Straßenseite der Bordstein abgesenkt wird, können sich nicht auf der anderen Seite gerade eine Baumscheibe mit hohem Bordstein befinden, eine Zulassung, bzw. Duldung von Kfz-Parken oder abgestellte Fahrräder (siehe auch Zielgruppen unten). Zur Barrierefreiheit finden Sie in den Check-Listen und auf der Website Geh-recht.de (19) zahlreiche Hinweise. Wenn sich der Kreis der Teilnehmenden nicht ausschließlich aus Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zusammensetzt, empfehlen sich „erfahrungsorientierte Begehungen“ (20), so wie sie z.B. bei den Checks in Baden-Württemberg durchgeführt wurden.(21)

e) Wegenetze

Eine der wesentlichsten Fragestellungen dürfte die nach den Möglichkeiten einer Lückenschließung von Wegeabschnitten sein. Dabei sollte nicht die Kategorisierung von Wegen aufgrund der Nutzungen zum Zeitpunkt des Fußverkehrs-Check zu stark in den Vordergrund gerückt werden. Genau wie bei allen anderen Verkehrsmitteln auch, erhöhen sinnvolle Wege auch die Nutzung der Wege und sie erhöhen gleichzeitig das Verkehrsaufkommen. Dass z.B. der Ausbau von Umfahrungsstraßen in der Regel das Gesamtverkehrsaufkommen des motorisierten Individualverkehrs auf diesem Korridor erhöht, ist mehrfach nachgewiesen worden. Den vergleichbaren Effekt können Sie auch im Fußverkehr erreichen, wenn Sie sich für die Förderung des Umweltverbundes einsetzen. Beim Autoverkehr wird z.B. in der Stau-Debatte in der Öffentlichkeit immer vorausgesetzt, dass es sich um Berufs- oder Wirtschaftsverkehre handelt, was bei weitem nicht zutrifft. Machen Sie beim Fußverkehr nicht den Fehler, Freizeitwege (Grün-blaue-Achsen durch die Stadt) weniger wichtig einzustufen als sogenannte Alltagswege. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird sich der Unterschied noch mehr auflösen. Zu dieser Fragestellung finden Sie Hinweise auf der Website Geh-recht.de(22) Für die Ermittlung von Wegeverbindungen und Netzschlüssen eignen sich verschiedene Formate.(23)

f) ÖV-Verknüpfung

Die Erreichbarkeit von Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs kann ein eigenständiges Thema bei einem Fußverkehrs-Check sein. Nur darf die Mängelanalyse nicht am Bahnsteigende bzw. -anfang aufhören; sie muss die dortigen Querungsanlagen einbinden und nach Möglichkeit auch den Einzugsbereich mit einem Radius von mindestens 250 bis maximal 500 Metern um die Haltestelle herum berücksichtigen.(24) Hinweise zu diesem Thema finden Sie auf der Website Geh-recht.de(25)

g) Fuß- und Rad

Es ist nicht günstig, den in den Städten teilweise schwelenden Konflikt zwischen Zu-Fuß-Gehenden und Radelnden unter den Teppich zu kehren, und es ist sicher auch nicht günstig, ihn weiter zu schüren. Die widersprüchlichen Interessen, insbesondere wenn der Radverkehr auf Fußverkehrsflächen verlegt wurde, lassen sich nur am Konfliktpunkt selbst diskutieren. Hierbei sollte aber der Grundsatz der Planung „von außen nach innen“ (26) beachtet werden, d.h. im Abwägungsprozess ist dann auch der Autoverkehr einzubeziehen. Umfangreiche Hinweise zu diesem Thema finden Sie auf der Website Geh-recht.de(27)

h) Stadtraumgestaltung

Stadtplanung und Verkehrsplanung müssen in einer Stadt nicht unbedingt „Hand in Hand gehen“. Insofern ist es eine Herausforderung, die Stadt, ihre Bauwerke, Größenverhältnisse, Weiten und Engen (28) und damit zusammenhängend natürlich auch die Aufteilung des öffentlichen Raumes aus der Sicht der Fußgängerinnen und Fußgänger zu betrachten.(29)

i) Weitere mögliche Schwerpunktsetzungen

Ziel eines Fußverkehrs-Checks kann es auch sein, Straßensituationen unter bestimmten Witterungsbedingungen (Wetter, Jahreszeiten, Lichtverhältnisse, etc.) oder Verkehrsverhältnissen (Schulbeginn, Rush Hour, Einkaufsverkehr, etc.) wahrzunehmen. Selbstverständlich gibt es noch eine ganze Reihe möglicher Schwerpunkte für die Durchführung eines Fußverkehrs-Checks, wir nehmen Ihre Ideen hier gerne mit auf (Kontakt). Hinweise zu den Witterungsbedingungen finden Sie auf der Website Geh-recht.de(30)

Grundsätzlich können Sie alle diese thematischen Fußverkehrs-Checks

Die Intensität und damit verbunden in der Regel auch der benötigte Zeitaufwand können sehr unterschiedlich sein. Deshalb muss vorher entschieden werden, wie genau und differenziert die Situation betrachtet und erfasst werden soll.

Denken Sie beim Fußverkehrs-Check an eine bestimmte Zielgruppe?

a) Fußgängerinnen und Fußgänger

sind die ausdifferenzierteste Verkehrsteilnehmergruppe. (32) Und dennoch werden die (besonderen) Belange in der Regel auf wenige Zielgruppen übertragen. Zudem gibt es häufig Überschneidungen oder die Feststellung, dass die Belange von einer Zielgruppe weitgehend die gleichen sind wie von allen anderen, die Fußverkehrsflächen nutzen.

b) Kinder

Insbesondere im Zusammenhang mit der Erstellung von Schulwegplänen (33) oder Kinderstadtplänen (34) werden die Belange der Kinder berücksichtigt. Dies ist gut, aber nicht ausreichend, denn Kinder nutzen die Wege in der ganzen Stadt und mit zunehmendem Alter auch kiezübergreifend. Deshalb sind Fußverkehrs-Check mit der Schwerpunktsetzung, die Straßen, Plätze und Querungsanlagen kindgerechter zu gestalten, ein wichtiger Ansatz.

c) Junge Leute

sind ganz selten im Focus derartiger Analysen von Straßenzügen, Plätzen und Querungsanlagen, und die wenigen durchgeführten Fußverkehrs-Checks haben erstaunliche Ergebnisse erzielt.(35) Junge Leute legen großen Wert auf die Gestaltung des öffentlichen Raumes, wünschen sich „schöne“ Städte mit vielen Sitz- und Stehmöglichkeiten zum Sehen und Gesehenwerden. Man sollte dieser Zielgruppe mehr Aufmerksamkeit widmen.

d) Frauen oder Eltern

Fußverkehrs-Check von Frauen können eventuell die sozialen Aspekte stärker in den Vordergrund stellen. Es gibt leider bisher zu wenige Erfahrungen. Ein Grund mehr, es zu versuchen. Zudem scheint in diesem Zusammenhang die Zielgruppe „Eltern“ wichtig zu sein.

e) Senioren

Eine aufgrund der demografischen Entwicklung in den Städten Deutschlands zunehmende Zielgruppe sind die mobilen älteren Menschen.(36) Es wurden insbesondere vom Zukunftsnetz Mobilität NRW verschiedene Fußverkehrs-Checks für Senioren durchgeführt.(37)

f) Menschen mit Mobilitätseinschränkungen

Nicht zuletzt sind es Probleme, die Verkehrsteilnehmer aufgrund unterschiedlicher Mobilitätseinschränkungen haben, die aus verständlichen Gründen immer wieder den Themenschwerpunkt bei Fußverkehrs-Checks bilden. Da es hier sich widersprechende Wünsche an die Infrastruktur gibt, wird mitunter davor zurückgeschreckt, diese Thematik gezielt anzugehen. Das mag verständlich sein, ist aber letztlich für die Stadt- und Verkehrsentwicklung nicht zielführend. Zur Barrierefreiheit finden Sie in den Check-Listen Hinweise und auf der Website Geh-recht.de(19)

g) Stadtbewohnerinnen und -bewohner

Es ist kann durchaus auch ein berechtigtes Anliegen einer Verwaltung sein, Bürgerinnen und Bürgern oder Anwohnerinnen und Anwohnern ihre Bemühungen für die Verbesserung der Situation für Zu-Fuß-Gehende zu vermitteln. Gerade eine Darstellung der Herausforderungen und der Abwägungsprozesse am Objekt kann für die demokratische Kultur sehr hilfreich sein.

h) Entscheidungsbeteiligte

Der Austausch zwischen Personen mit verschiedenen Zuständigkeiten in Verwaltung und Politik über fußverkehrsrelevante Fragestellungen läuft nicht „automatisch“ gut. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass dafür Fußverkehrs-Checks sehr gut geeignet sind und dass dies auch insbesondere in größeren Städten notwendig sein kann.

Egal, welche Zielgruppe Sie intensiv einbeziehen möchten, sollten Sie immer berücksichtigen, dass eine Kommunikation zwischen den Teilnehmenden möglich ist, sodass Wünsche deutlich werden können und womöglich dabei Lösungsansätze entstehen. Das ist durch eine zu homogene Gruppenzusammensetzung schwieriger.

Im Gegensatz dazu gibt es die Fach-Fußverkehrs-Checks, die z.B. von einer einzigen Person durchgeführt werden oder in einer sehr kleinen Gruppe.(38) Diese Formate sind nicht dafür geeignet, das Problembewusstsein einer Zielgruppe zu schulen oder eine Diskussion anzuregen. Sie können aber eine Grundlage für eine weitere Begehung sein.

Bevorzugen Sie eine Binnen- oder auch eine Außen-Ansicht?

Beides ist selbstverständlich möglich und beides hat seine Vor- und Nachteile. Wenn Sie die Moderation einer Person überlassen, die schon seit Jahrzehnten die zu begehenden Wege kennt, kann sehr viel Kiezwissen eingebracht werden. Das kann sehr belebend, aber von den eigentlichen Herausforderungen auch ablenkend wirken. Auf jeden Fall wirkt es authentisch und kann die Teilnehmenden in den Bann ziehen. Eine ortsfremde Person kann mitunter besser über den Tellerrand sehen und sich auf die Zielvorstellungen des Fußverkehrs-Checks konzentrieren, aber auch Vorschläge unterbreiten, die vor Ort bereits seit Jahren abschlägig behandelt wurden. Deshalb hat es sich durchaus bewährt, einer ortsfremden Person die Leitung zu überlassen, aber in den Diskussionen an den Besichtigungsorten und bei möglichen Workshops die Vertreterinnen und Vertreter der Verwaltung oder Multiplikatoren vor Ort intensiv einzubeziehen.(7)

Wollen Sie den Check erst einmal intern oder mit möglichst viel Öffentlichkeit durchführen?

Auch das sollten Sie vorher entscheiden. Selbstverständlich ist ein Fach-Check weniger öffentlichkeitsrelevant als eine Gruppen-Begehung an der möglicherweise in der Stadt bekannte Persönlichkeiten teilnehmen. Auch eine Kombination von Fußverkehrs-Checks, Workshops und öffentlichen Veranstaltungen bietet sicher ebenfalls mehr Abwechslung als ein Verwaltungs-Fachgespräch. Nicht zuletzt ist ein möglichst enger örtlicher Bezug (Stadtteil, Kiez) für die Öffentlichkeit besser geeignet als eine willkürlich durch die Stadt festgelegte Begehungs-Route. Aber Sie müssen letztlich festlegen, ob Ihnen die Berichterstattung wichtiger ist als die aus Ihrer Sicht zielführende Vorgehensweise oder umgekehrt. Es ist ganz sicher empfehlenswert, die Medienvertreterinnen und -vertreter zu ansonsten öffentlich durchgeführten Aktivitäten einzuladen. Darüber hinaus ist die Herangehensweise an eine zielführende Öffentlichkeitsarbeit ein eigenes Thema, das hier nicht behandelt werden soll.

Weiterführende Informationen, Anmerkungen und Quellenangaben

    1. siehe www.uni-due.de > Wahrnehmung
    2. Mietzel, Gerd: Pädagogische Psychologie des Lernens und Lehrens, Verlag für Psychologie, Göttingen, 1998, S. 129
    3. Lefrancois, Guy R.: Psychologie des Lernens, Springer-Verlag GmbH Berlin Heidelberg, 1994, S. 160
    4. www.wikipedia.org > Achtsamkeit, zuletzt aufgerufen am 22.11.2017. Es scheint bisher keine einhellige Begriffsbestimmung für die Achtsamkeit zu geben, die hier übernommene entstammt der Care-Ethik, einer Moralphilosophie zur Bewertung menschlichen Handelns.
    5. Die Begriffe dafür sind vielfältig, z.B. „Verkehrsentwicklungsplan“, „Integrierte Verkehrsplanung“, „Nahverkehrsplan“, „Masterplan Verkehr“, „Verkehrskonzept Innenstadt“, „Stadtentwicklungsplan Verkehr und öffentlicher Raum“ (z.B. Leipzig), usw.
    6. siehe hierzu auch www.fussverkehrsstrategie.de
    7. Kurzbeschreibungen von zwei dieser konzeptionellen Einbindungen von Fußverkehrs-Checks finden Sie unter Konzeption Fußverkehrs-Checks als Teil eines bundesweiten Projektes für kommunale Fußverkehrsstrategien und Konzeption Fußverkehrs-Checks als Teil der Fußverkehrsförderung des Landes Baden-Württemberg
    8. Machen Sie bitte nicht den Fehler, den Alltags- vom Freizeitverkehr zu trennen, so wie es leider in der Literatur immer wieder geschieht. Zu-Fuß-Gehende können Ihnen oft nicht einmal sagen, ob sie gerade alltagsmäßig (Berufs-, Einkaufs-, Servicewege) oder freizeitmäßig unterwegs sind. Das wird durch die demografische Entwicklung immer weniger unterscheidbar. Es geht um Wegeketten, die Ziele möglichst sicher und angenehm miteinander verbinden.
    9. Einen guten Überblick über mögliche strategische Vorgehensweisen aus den Fußverkehrs-Checks in den Modellstädten des Projektes „Handlungsleitfaden für Fußverkehrsstrategien“ finden Sie unter www.fussverkehrsstrategie.de > Modellstädte jeweils am Ende der Abschnitte 1. Fußverkehrscheck – „BlitZlicht“ (PDF) unter Fazit.
    10. Hier wäre der Begriff „Fußgänger“ zu kurz gegriffen, vgl. Durchführung Auf was sollten Sie bei einem Fußverkehrs-Check besonders achten?, eine Auflistung von möglichen Interessierten finden Sie unter www.fussverkehrsstrategie.de > Interessengruppen
    11. Selbst für Laien umsetzbar sind z.B. die Formate „BlitZlicht“ aus Deutschland oder der Pilotcheck / Schnellcheck aus Österreich sowie für Gruppen-Begehungen „Stadt wahrnehmen!“ mit allen möglichen Schwerpunktsetzungen und gewünschten Verfahrensänderungen.
    12. Zahlreiche Hinweise und Hilfestellungen finden Sie unter www.geh-recht.de > Fussverkehrsanlagen. Wir empfehlen Ihnen auch den Schnelleinstieg unter www.geht-recht.de > Fragestellungen, hier finden Sie auf mehr als 100 Fragestellungen Antworten aus den Regelwerken, gegliedert in 14 Themenblöcken.
    13. Eine Übersicht über die geltenden Regelwerke finden Sie unter www.geh-recht.de > Literatur
    14. Hierfür eignet sich insbesondere das Format „Stadt wahrnehmen!“
    15. Siehe www.geh-recht.de > Fussverkehrsanlagen, insbesondere alle Hinweise bezüglich der Querungsanlagen
    16. Das in Formate Sicherheitsaudit von Straßen beschriebene Verfahren ist natürlich auch im Bestand von Straßen anwendbar und beinhaltet die wesentlichen Fragestellungen bezüglich der Verkehrsunfall-Vermeidung. Sie können sich aber auch an den Check-Listen orientieren und ein anderes Format wählen.
    17. Das sind die Begriffe aus den 12 Kriterien „zur Bewertung von Qualitäten des öffentlichen Raumes“ in Jan Gehl, Birgitte Svarre: Leben in Städten – Wie man den öffentlichen Raum untersucht, edition:`AngewAndte, Birkhäuser Verlag GmbH, Basel 2016, S. 107 (in englisch).
    18. Im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) aus dem Jahr 2013 (siehe Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz) wird gemäß § 8 Absatz 3 sogar bis zum 01.01.2022 eine „vollständige Barrierefreiheit“ gefordert, vgl. www.gesetze-im-internet.de. Dafür wurden allerdings weder eine Definition, noch Ausnahmebedingungen geliefert.
    19. in fast allen Rubriken unter www.geh-recht.de > Fussverkehrsanlagen sowie noch einmal zusammengefasst unter www.geh-recht.de > Barrierefreiheit
    20. siehe unter Methoden erfahrungsorientierte Begehungen
    21. siehe unter Formate Lebensqualität gestalten (Baden-Württemberg)
    22. siehe www.geh-recht.de > Wegenetze
    23. das Format „BlitZlicht“ wurde z.B. bei der Netzbildung von über 500 Kilometern „20 Grüne Hauptwege“ in Berlin an 400 Querungsanlagen eingesetzt.
    24. Dies entspricht bei einem durchschnittlichen Umwegfaktor von 1,2 Gehstrecken von 300 bzw. 600 m Länge. Damit ist die Haltestelle in etwa fünf bis maximal zehn Minuten Fußweg bei langsamer Gehgeschwindigkeit (3,6 km/h) bequem zu erreichen.
    25. siehe www.geh-recht.de > Haltestellen
    26. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV (Hrsg.): Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, RASt 06, Köln 2006, 3.4 Entwurfsvorgang, 2., Bild 10. „Straßengestaltung vom Rand aus“ bedeutet, dass zuerst die Randnutzungen mit ihren Flächenansprüchen zu berücksichtigen sind, und erst danach die Abwägung zwischen der „Städtebaulich möglich[en] Fahrbahnbreite“ und der „verkehrlich notwendige[n] Fahrbahnbreite“ stattzufinden hat.
    27. siehe www.geh-recht.de > Fuss- und Radwege
    28. Zu diesen Fragestellungen haben Jan Gehl und seine Büros Pionierarbeit geleistet, siehe z.B. Jan Gehl: Städte für Menschen, jovis Verlag GmbH, Berlin 2. Auflage 2015. Die 12 Kriterien aus der „Checkliste zur Bewertung von Qualitäten des öffentlichen Raumes“ von Jan Gehl aus dem Buch Jan Gehl / Birgitte Svarre: Leben in Städten – Wie man den öffentlichen Raum untersucht, edition: `AngewAndte, Birkhäuser Verlag GmbH, Basel 2016 finden Sie in einer deutschen Übersetzung unter www.ag.ch > Erläuterung Gehl Methode, zuletzt aufgerufen am 12.12.2017
    29. siehe www.geh-recht.de > Planungsprinzipien
    30. siehe www.geh-recht.de > Witterung
    31. Selbstverständlich kann ein Blick auf vorhandene Check-Listen nicht schaden.
    32. Siehe Durchführung Auf was sollten Sie bei einem Fußverkehrs-Check besonders achten?
    33. Zur Erstellung von Schulwegplänen finden Sie zahlreiche Hinweise und Hilfestellungen auf der Website www.schulwegplaene.de
    34. Bei den Kinderstadtplänen sollten die Ansprüche sehr ähnlich sein wie bei den Schulwegplänen, siehe www.schulwegplaene.de > Kinderstadtpläne
    35. Siehe die verschiedenen Herangehensweisen an die Wünsche von jungen Menschen unter www.junge-leute-zu-fuss.de > Fachexkursion
    36. Siehe dazu die Website www.senioren-sicher-mobil.de und zu den besonderen Ansprüchen dieser Zielgruppe www.senioren-sicher-mobil.de > Probleme und Wünsche bei Befragung 2014-15
    37. Zukunftsnetz Mobilität NRW (Hrsg.): Öffentliche Räume für alle – Mobilitätsmanagement für Senioren, weitere Informationen über www.vrsinfo.de, oder www.zukunftsnetz-mobilitaet.nrw.de.
    38. Sie können je nach gewünschter Intensität z.B. als „BlitZlicht“ oder auch als kleinteiligeres „Scannen“ realisiert werden.

Die Literatur zum Thema wurde noch einmal gesondert zusammengestellt.